Das Leben genießen - aber nicht auf Kosten der Umwelt: die Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft TAGWERK e.G. 

 

"Ökologie ins Leben umsetzen," so lautet das wichtigste Unternehmensziel der Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft TAGWERK e.G. Dazu gehört die Förderung ökologischer Landwirtschaft, artgerechter Tierhaltung, regionalen Wirtschaftens sowie das Erhalten heimischer Strukturen und traditioneller Berufe. 

Gegründet wurde TAGWERK 1984, also vor dreizehn Jahren, und zwar in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft. Mit acht Naturkostläden und mit Ständen an zehn Markttagen in verschiedenen Orten einschließlich München gehört sie zu den großen und erfolgreichen Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften der Bundesrepublik. Die Umsätze von TAGWERK steigen jedes Jahr etwa um 300.000 bis 400.000 DM. Im Jahre 1996 betragen sie etwa vier Millionen DM. Das Unternehmen arbeitet kostendeckend. In einer normalen Firma der gleichen Größenordnung würden allerdings mehr Kosten anfallen, die nicht getragen werden könnten.

Zum Sortiment des Unternehmens gehört alles, was aus dem ökologischen Landbau kommt: Gemüse, Getreide, Brot, Fleisch, Wurst. Für das breite Sortiment an gut schmeckenden Wurstsorten erhielt die Genossenschaft sogar eine Gourmet-Auszeichnung. Dazu kommen als ökologische Produkte auch ein eigenes, für TAGWERK entwickeltes und unter diesem Namen angebotenes Waschmittel und der erste Melkmaschinenreiniger auf biologischer Basis. Abgesehen von Produkten der Dritten Welt als Solidaritätsware gibt es im Unternehmen keine nicht ökologischen Angebote. 

Persönliche Kontakte schaffen

Zusätzlich zu der Genossenschaft existiert ein Verein mit dem Namen TAGWERK Förderverein für ökologischen Landbau, Landschaftspflege und bewußte Lebensführung e.V. Er ist für die gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit, Vorträge, Umwelttage, Zeitung etc. zuständig. Um das Umweltengagement und TAGWERK bekannter zu machen, stehen allerdings nicht PR-Aktivitäten im Vordergrund. Als entscheidender wird die Arbeit vor Ort im Laden mit fachkundigem Personen angesehen. Sie müssen mit den Kunden umgehen können und jeder Laden muß sauber und ordentlich sein: Gute Ware und Beratung spricht sich herum. Alles andere wird im Vergleich dazu als aufgesetzt eingestuft, selbst ein guter Presseartikel. 

Wichtig ist vor allem das Engagement der Beschäftigten für den Absatz: Sobald jemand hinter dem Tresen steht und die Sachen verkauft, weil er von den Produkten überzeugt ist, funktioniert dies besser. In der Genossenschaft arbeitet niemand, der sich nicht mit dem Unternehmen und seinen Zielen identifiziert.. Die Mitarbeitenden nehmen deshalb sogar weniger Einkommen als in anderen Beschäftigungsverhältnissen in Kauf. Potentielle Kunden müssen allerdings nach dem Motto "Liebe geht durch den Magen" dazu veranlaßt werden, Produkte der Genossenschaft zu probieren. "Regional und ökologisch", "Beim Essen und Trinken fängt der Umweltschutz an", "Aus der Region für die Region" oder "Genüßlich Umwelt schützen" sind Beispiele für Slogans, mit denen in die Öffentlichkeit gegangen wird.

Außerdem werden Veranstaltungen organisiert, die Spaß machen. Beispielsweise stellen Radtouren zu verschiedenen Erzeugern einen Versuch dar, Menschen erste Kontakte zu ermöglichen, die noch keine Waren aus ökologisch kontrolliertem Anbau kaufen. Generell soll mehr in den Freizeitbereich hineingegangen werden. Für die nahe Zukunft ist das verstärkte Anbieten von Reisen geplant, damit Interessierten TAGWERK mit seinen Zielen genußvoll kennenlernen können. 

Eigenverantwortung statt Selbstverwaltung 

Im Unternehmen sind regelmäßig 48 Personen beschäftigt, davon 46 in Teilzeitarbeit. Drei Viertel von ihnen haben Genossenschaftsanteile gezeichnet. Insgesamt umfaßt die Genossenschaft 650 Mitglieder und der Verein 400. Einmal im Monat werden Mitarbeitertreffen durchgeführt. An zentralen Unternehmensentscheidungen sind der Vorstand und alle Aufsichtsratsmitglieder beteiligt. Sechs Aufsichtsräte kommen aus den Läden, arbeiten also auch im Unternehmen mit. Der Aufsichtsrat wird jedes Jahr zu einem Drittel neu gewählt, der Vorstand jährlich komplett neu. 

Selbstverwaltetes Arbeiten ist eine jahrelang praktizierte Kompetenz der TAGWERK-MitarbeiterInnen. Das klappt in den Genossenschaftsläden sehr unterschiedlich. In Dorfen werden zweimal monatlich Treffen als Ladenversammlung organisiert. In einigen anderen Läden finden dagegen keine regelmäßigen Zusammenkünfte statt. Dort funktioniert die Selbstverwaltung nicht. Gründe sind unter anderem, daß in einzelnen Fällen MitarbeiterInnen nicht miteinander können oder nicht bereit sind, sich abends an unbezahlten Treffen zu beteiligen.

Das Ziel Selbstverwaltung ist weiterhin vorhanden. Da die Umsetzung aber nicht in allen Läden funktioniert, werden Aufgaben zunehmend genauer definiert. Diese werden auf einzelne dann verantwortliche Personen übertragen. Beispielsweise wurde für den Fleischbereich eine Kostenstelle eingerichtet. Sie wird einem dafür eingestellten Mitarbeiter zugerechnet. Er macht nichts anderes als Fleischeinkauf, Fleischorganisation etc. Für alle Kosten, aber auch für den Erfolg in seinem Bereich ist er zuständig. Das bedeutet, zukünftig sollen die MitarbeiterInnen für ihre Arbeit mehr verantwortlich sein, und entsprechende Kompetenzen erhalten, verbunden mit der Einrichtung von Kostenstellen. Über diese Art der innerbetrieblichen Organisation werden die Arbeit der Personen und die wirtschaftlichen Zahlen transparenter. 

Ökologie und Regionalität 

Von anderen Betrieben unterscheidet sich TAGWERK dadurch, daß vieles in der Freizeit gemacht wird. Außerdem werden die einzelnen Läden autonom geführt. Jeder Laden kann bei den eigenen Bauern einkaufen. Regionalität wird also selbst innerhalb von TAGWERK praktiziert, indem die einzelnen Läden bei den jeweiligen Bauern vor Ort kaufen. Das hat allerdings Grenzen. Den Kunden muß Abwechslung bei den Produkten geboten werden. Sie wollen nicht immer nur die gleiche Wurst oder den gleichen Käse essen. Deshalb erweist sich das Produktspektrum jedes Ladens breiter als nur aus der unmittelbaren Region.

Im Großhandelsbereich, auch im Naturkostsektor, sind marktdominante Unternehmen tätig, die überall kostengünstig einkaufen können. TAGWERK versucht dagegen, den Anspruch der Regionalität umzusetzen, die mehr kostet. Transporte von einem zentralen Punkt aus lassen sich billiger verwirklichen, als wenn vor Ort nur kleine Mengen eingekauft werden. Durch die vielen kleinen und mittleren Erzeuger steigt der erforderliche Arbeitsaufwand erheblich. Regionalität hat viel mit Umwelt zu tun, beispielsweise werden die Transportwege minimiert. Entsprechend gibt es keine aus Übersee eingeflogenen Produkte. Ebenfalls ist das Anbieten offener Ware von den eigenen Erzeugern Folge der Regionalität und damit auch Müllvermeidung. Diese läßt sich allerdings nicht immer umsetzen: Fleisch wird als Zugeständnis an die Wirtschaftlichkeit verpackt, damit es länger verkäuflich bleibt. 

Jeder, der TAGWERK-Produkte kauft, weiß, er hilft damit einem Bauern in der Region: "Das ist praktizierter Naturschutz in seiner Heimat." Unterstützt wird dies dadurch, daß der TAGWERK e.V. als regionaler Anbauverband mit Bioland zusammenarbeitet. Überregional werden die Produkte unter dem Bioland-Label vertrieben, während beispielsweise die Produkte der angeschlossenen sechs Bäckereien und drei Metzgereien vor Ort vorrangig mit dem TAGWERK-Zeichen ausgestattet sind. In der Region selbst existiert kein Unternehmen, das etwas Ähnliches praktiziert: TAGWERK ist als Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft in der Gegend um München und von der Größe her einzigartig.