Das Beispiel der Bremer Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft

Die Bremer Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft (EVG) ist ein ökologisch-ökonomischer Zusammenschluß von über 500 VerbraucherInnen und ErzeugerInnen aus Bremen und dem Umland. Sie engagiert sich für die Förderung der ökologischen und kleinbäuerlichen Landwirtschaft, für faire Erzeuger- und Verbraucherpreise, für eine kooperative, regionale Direktvermarktung und für eine umwelt- und gesundheitsverträgliche Ernährung. Das kooperatives Direktvermarktungskonzept basiert auf einer regionalen Versorgung und Verarbeitung. Gleichzeitig wurde begonnen, mit Großküchen zusammenzuarbeiten, um auch hier eine "Ernährungswende" einzuleiten. 

Um diese Ideen verbrauchernah umzusetzen, sind seit 1989 im Ostertor, Schwachhausen, Lilienthal und Pusdorf selbstorganisierte Bauernläden gegründet worden. Die Bauernläden werden von selbstorganisierten Stadtteilgruppen nach genossenschaftlichen Prinzipien geführt. Die VerbraucherInnen versorgen sich hier mit frischen Lebensmitteln aus ökologischem Anbau der Region. Dazu organisieren sie selbständig den Ein- und Verkauf der Waren. Außerdem erweitern sie über zahlreiche Ladenaktivitäten ihre sozialen Kontakte im Stadtteil. 

Das Angebot der EVG umfaßt u.a. Gemüse, Obst, Salate der Saison, Getreide, Kartoffeln, Kräuter, Brot und Backwaren aus Vollkornproduktion, Eier, Wurst, Milchprodukte, Fleisch, Geflügel. Getreideflocken, Vollkornnudeln, Brotaufstriche, Nüsse, Rosinen, Öl und Wein ergänzen das Sortiment. Die Kernaktivitäten werden ergänzt durch Back- und Vollwertkochkurse an, Hofbesichtigungen, Hoffeste, praktische Mitarbeit und Ferien auf dem Bauernhof. Informationsveranstaltungen zu Themen wie ökologischer Landbau, Vollwertkost, Lebensmittelqualität etc. Kontaktadresse: Bremer Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft e.G., Donandtstraße 4, 28209 Bremen, Telefon 0421/3499077.

Lebensmittelkooperativen entstanden in den siebziger Jahren als Teil der Naturkostbewegung, die ihrerseits unter anderem eine Reaktion auf die Fehlentwicklungen in der konventionellen Landwirtschaft, der Nahrungsmittelindustrie sowie dem Nahrungsmittelhandel war. Neben dem Interesse am Einkauf gesunder und vollwertiger Lebensmittel gewannen ökologische Aspekte, insbesondere die Bedingungen, unter denen die Lebensmittel erzeugt und gehandelt werden, zunehmend an Bedeutung. Noch heute ist ein wesentlicher Teil des Selbstverständnisses solcher Verbraucherzusammenschlüsse das selbstbestimmte und gemeinsame Handeln. Sie wollen so versuchen, der zugewiesenen Rolle als ohnmächtige Konsumenten ein Stück entkommen. 

Auch die Wurzeln der Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft Kernbeisser reichen so weit zurück. Sie sind eng mit der über zwanzig Jahre alten Geschichte der Braunschweiger Lebensmittelkooperativen verbunden. Bereits 1976 gründete sich eine Braunschweiger "WG-Cooperative", die auf verschiedene Formen der Selbsthilfe zurückgriff, unter anderem auch auf dem gemeinsamen Einkauf von Lebensmitteln. Sie gehört zu den ältesten Verbraucherzusammenschlüssen für alternative Ernährung in dieser Region.

Zwei Jahre später, Anfang 1978 eröffnete eine Food Coop einen Laden im Jugendzentrum "Bambule". Schnelles Wachstum, Bildung weiterer Coops und der Anschluß von Gruppen aus verschiedenen Stadtteilen an das gemeinsame Bestellsystem führten zu komplexeren Kooperationsstrukturen. 1980 arbeiteten bereits sechs Gruppen zusammen, die zunehmend auf Waren aus kontrollierten Anbau zurückgriffen. Vorher stammten die meisten noch aus konventionellem Anbau oder waren Reformwaren. Zwar löste sich 1982 die Bambule-"Ur-Coop" auf, der gemeinsame Warenbezug der sieben weiter existierenden Coops über ein Kellerlager wurde aber fortgeführt und professionalisiert.

Im Jahre 1990 spitzen sich die bereits länger auch im regionalen Rahmen geführten Diskussionen über die Beziehungen von Food Coops zum gewerblichen Naturkost Groß- und Einzelhandel zu. Als Reaktion darauf wurde aus der Food Coop-Szene heraus am 14. Oktober 1990 die Verbraucher- Erzeuger-Genossenschaft Kernbeißer gegründet. Sie mieteten ein großes Lager an, aus dem zehn Bestellgruppen ihre Waren bezogen. Zu Beginn des Jahres 1991 wurde dann auch mit einer systematischeren Vermarktung von Frisch- und Landwaren begonnen. Die Eintragung der Genossenschaft erfolgte erst fünf Jahre nach ihrer Gründung und zwar nach Abschluß der erforderlichen umfangreichen Formalitäten am 1. Oktober 1995 in das Genossenschaftsregister beim Amtsgericht Braunschweig.
Ein Jahr nach der Eintragung erweist sich das Projekt "Kernbeißer" als so erfolgreich, daß der erste Laden "aus allen Nähten platzt". Hintergrund ist die große Zahl neuer Mitglieder, die vor allem durch Mund zu Mund Propaganda dazukommen. So kann am 11. Mai 1996, aufbauend auf dem Elan und Engagement alter und neuer GenossenschaftlerInnen, ein weiterer nach dem gleichen Prinzip arbeitender Laden eröffnet werden. 

Zu den Zielen der EVG Kernbeißer gehört das Herstellen und Entwickeln von möglichst direkten (Handels-)Beziehungen zwischen Erzeugern/ Lieferanten und den Mitgliedern, die die Produkte einkaufen. Diese gehen bis hin zu Anbauabsprachen, gemeinsamen Hofbesuchen und teilweise sogar Mithilfe. Wichtig ist dabei eine größtmögliche Transparenz in Bezug auf Herkunft, Transportweg sowie der (biologischen) Qualität der angebotenen Produkten. Konsequenterweise muß viel aktive Informationsarbeit geleistet werden. Dazu gehört der Abbau von Anonymität und Verunsicherung mittels offener Treffen (Jour Fixe) im Laden, informelle Kontakte und Öffentlichkeitsarbeit.

Direkt bezogene und regional erzeugte Produkte werden bevorzugt. Bei diesen strebt die Genossenschaft einen hohen Umsatz an, unter anderem unterstützt durch gezielte Preispolitik mit differenzierten Aufschläge und große Präsenz. Mit ihrer Arbeit will die EVG möglichst viele VerbraucherInnen an die Naturkost heranführen. Durch die ehrenamtliche Mitarbeit werden günstige Mitgliederpreise ermöglicht. 

Das Sortiment setzt sich zusammen aus regional erzeugte Frischwaren aus kontrolliert ökologischem Anbau, wie Obst und Gemüse nach Jahreszeit, Eier, sowie Milch- und Fleischprodukte aus artgerechter Tierhaltung. Außerregionale Ware wird zugekauft, wenn das regionale Angebot nicht ausreicht. Vom Naturgroßhandel bezieht die EVG Ware, überwiegend Trockenprodukte, sofern sie regional nicht erhältlich sind. Ergänzt wird dieses Sortiment durch Produkte aus Ländern der 3. Welt, gehandelt zu fairen Bedingungen. Eine minimale Verpackung der angebotenen Waren gehört ebenso zum Selbstverständnis wie der Einsatz von Mehrweg- und Pfandbehältnisse. Entsprechend gibt es einen hohen Anteil an Waren zur Selbstabfüllung.

Alle anfallenden Arbeiten werden ehrenamtlich und unbezahlt geleistet. Aus diesem Grund ist jedes Genossenschaftsmitglied laut Satzung verpflichtet, bestimmte Dienste zu übernehmen. Die Mitarbeit umfaßt etwa drei bis fünf Stunden im Monat. An Arbeitsfeldern gibt es gegenwärtig Ladendienste, Großhandelsgruppen, Kontaktpersonen für regionale Lieferanten, Reinigungsgruppe, Abpackgruppe, Dienste für Warenannahme, Transport, Information und Kassenwesen. Finanziellen Gewinne werden keine angestrebt. Eventuelle Überschüsse würden zur Förderung des regionalen ökologischen Landbaus einzelnen Erzeugern für ihre Arbeit zur Verfügung gestellt werden.

Mitglied kann jeder durch Zahlung eines oder mehrerer Genossenschaftsanteile von DM 100,-werden. Dazu kommt ein jährlicher Kostendeckungsbeitrag von DM 90,-, der erst zum kostengünstigen Einkauf im Laden berechtigt. Eine Probemitgliedschaft ist möglich für drei Monate. In dieser Zeit muß nur der Kostendeckungsbeitrag von DM 25,- bezahlt werden.