WOHNUNGSBAUGENOSSENSCHAFTEN


Von der Hoffung zum Flop - die Eigenheimzulage

"Wohnungsbaugenossenschaften und Eigenheimzulage - Förderung oder Pervertierung der Genossenschaftsidee?", lautete der ursprünglich geplante Titel dieses Artikels. Hintergrund ist die seit Anfang 1996 gültige Förderung neuer Wohnungsbaugenossenschaften. Das Bundesfinanzministerium entzog allerdings zu Beginn diese Jahres dieser Chance für den genossenschaftlichen Wohnungsbau die Grundlagen. Angst vor dem großen Interesse an dieser Förderung dürfte das Hauptmotiv für diese Entscheidung gewesen sein.

Nach dem 1. Januar 1995 gegründete Genossenschaften können seit nunmehr zwei Jahren die staatliche Bauförderung in Anspruch nehmen. Von vielen Politikern wurde deshalb der § 17 Eigenheimzulagegesetz als Durchbruch gefeiert. Erstmals wird es möglich, daß ein Mitglied, das Genossenschaftsanteile erwirbt, hierfür auch eine Zulage des Staates bekommen kann.

Die Bestimmungen sehen vor, daß Genossenschaftsanteile ab 10.000 DM bis maximal 80.000 DM eine jährliche dreiprozentige Grundförderung für acht Jahre erhalten. Zusätzlich wird in dieser Zeit pro Jahr eine Kinderzulage in Höhe von 500 DM pro Kind gewährt. Die Gesamtförderung einschließlich der Kinderzulage darf die Summe der gezeichneten Anteile allerdings nicht überschreiten. Sie beläuft sich im Minimum bei der Anteilszeichnung von 10.000 DM auf 2.400 DM, bei 80.000 DM auf 19.200 DM. Mit der Kinderzulage liegt bei zwei Kinder je nach Höhe der erworbenen Anteile die Verzinsung bei 13%. 

Auf den ersten Blick werden die Chancen kollektiver Selbsthilfe dadurch gestärkt. Verbunden mit der Förderung ist allerdings die Verpflichtung, in die Satzung das Recht auf Einzeleigentum aufzunehmen. Die genossenschaftliche Idee der Eigentumsbindung ohne Spekulation wird auf diese Weise unterlaufen. In der ersten Phase beschäftigte viele überzeugte Genossenschaftler deshalb die Diskussion, ob die Eigentumsorientierung in Kauf genommen werden dürfe oder nicht.

Verbesserte Finanzierungschancen

Einige "Tüftler" stellten allerdings bald begeistert fest, daß sich mit der Förderung anfangs nicht wahrgenommene Möglichkeiten verbinden lassen. Auch Externe konnten Genossenschaftsanteile zeichnen, die an einer Wohnung gar nicht interessiert waren, und dadurch die Förderung in Anspruch nehmen. Erstmals war der Status des Fördergenossen nicht nur aus Idealismus, sondern auch aus finanziellen Erwägungen interessant. Auf diese Weise ergab sich ein Ausgleich dafür, daß die Förderung von Genossenschaftsanteilen weiterhin deutlich unterhalb des selbstgenutzten Wohneigentums liegt.

Unter diesen Bedingungen gründeten sich unabhängig der kritischen Diskussion zur "erzwungenen" Eigentumsorientierung innerhalb von zwei Jahren rund 140 neue Wohnungsbaugenossenschaften. Sie repräsentieren etwa 30.000 bis 50.000 Mitglieder. Das Spektrum dieser kleine Gründungswelle umfaßt Seniorengenossenschaften durch die BHW und die Schwäbisch Hall Wohnen GmbH, reine Nutzergruppen, ökologische Neubauprojekte mit einem hohen Anteil an Fördergenossen wie die Baugenossenschaft Neue Wege in Augsburg, aber auch dubiose Anlagegenossenschaften durch Steuerberater wie die GERMANIA Genossenschaft zur Förderung des Wohnungsbaus in Dresden. 

Sie alle vertrauten auf die schriftlich vorliegende Interpretation, daß eine Selbstnutzung der Mitglieder für die Förderung nicht notwendig ist. Mit einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums Anfang dieses Jahres wird dies aber überraschend zurückgenommen: Spätestens bis zum letzten Jahr des Förderzeitraums muß nun eine Genossenschaftswohnung bezogen werden. Das gilt nicht für Mitglieder, die bis zum 15.02.98 einer förderfähigen Genossenschaft beigetreten sind. 

Gefahr von Vermögensverlusten

Trotzdem werden aufgrund der veränderten Bedingung viele neue Genossenschaften in wirtschaftlich existentielle Probleme geraten. Es besteht die begründete Gefahr von Konkursen bzw. Gesamtvollsteckungen, in denen zahlreiche Genossenschaftsmitglieder ihre gezeichneten Anteile verlieren können. Von Vermögensverlusten betroffen werden durch die im Eigenheimzulagengesetz formulierten Einkommensgrenzen vor allem Bezieher mittlerer und niedriger Einkommen sein.